Zukünftige Änderungen im Essverhalten
Zukunftsvision: Das Essverhalten wird sich in Zukunft am flexiblen Alltag der Menschen orientieren müssen, weniger an Ernährungskonzepten oder -typen, ist Ernährungswissenschafterin und Trendforscherin Hanni Rützler überzeugt. Die Gründe für diese Prognose sieht Rützler in der unregelmäßigen Lebensweise der Österreicher. Sogenannte Nine-to-five-Jobs wird es immer weniger geben, dafür steigt die Zahl der Prekariate (ungesicherte Arbeitsverhältnisse, Anm.) und der neuen Selbstständigen. Auch die Patchworkfamilie wird zur gewöhnlichen Beziehungsform mutieren. "Wir werden an einem stressigen Tag mit Convenience-Produkten Vorliebnehmen oder uns mit Snacks begnügen. Wenn Freunde zu Besuch sind, werden wir aufwendiger kochen. Samstags am Bauernmarkt Bioprodukte kaufen und wochentags beim Discounter, der um 21.00 Uhr noch offen hat, schnell Brot und Milch fürs Frühstück kaufen - oder uns für einen anstrengen Arbeitstag mit einem Besuch in einem guten Restaurant belohnen", sagte Rützler am Donnerstag beim 28. Ernährungskongress in Wien.
Diese Entstrukturierung und Flexibilisierung des Alltags führe zu einem veränderten Essverhaltens. Zudem wird - nicht zuletzt wegen steigender Energiepreise und der großen sozialen und ökonomischen Veränderungen in den Schwellenländern - Essen deutlich teurer werden. "Die Österreicher werden sich wieder daran gewöhnen müssen, dass Lebensmittel nicht um ein Schnäppchen zu haben sind und wir nur zehn Prozent unseres Einkommens für die wichtigste Regenerationsquellen unserer Körpers und unserer Seele ausgeben müssen", so Rützler. Das habe natürlich massiven Einfluss auf die Essentscheidungen. Aber diese Entscheidung würde nicht durchgehend "in Richtung billig" fallen: "Wir werden bei bestimmten Gelegenheiten sparen, bei anderen werden Qualität und Genuss den Ausschlag geben", erklärte die Expertin. Die regionale Versorgung mit Nahrungsmitteln werde wieder Mainstream werden. Ein weiterer Megatrend im Ernährungssektor ist die Gesundheit. "Der Begriff der Gesundheit hat rasend schnell alles übernommen, auch in unserem Bereich", ist auch die deutsche Expertin Hannelore Daniel überzeugt. "Ernährungsforschung ist plötzlich en vogue und spektakulär."
Laut Hanni Rützler gibt es auf diesem Sektor drei neue Trends zu beobachten: Im "New Fusion Food" manifestiert sich der Einfluss asiatischer Küchen mit ihren zahlreichen vegetabilen Komponenten und vielfach schonenden Zubereitungsarten sowie ganzheitlichen Ernährungsphilosophien. Bei "Pretty Food" kommt die Renaissance der Ästhetik beim Tischschmuck und der stilvollen Präsentation der Speisen zum Ausdruck, die ein aufmerksameres, bewusstes Essen und damit auch ein gesünderes Ernährungsverhalten mit sich bringt. "Conjoint Food" beschreibt den Trend zu gemeinsamen Kochen und Essen. Auch die demografischen Veränderungen werden eine nicht unwesentliche Rolle spielen, sagte Rützler. Die Menschen, die in den nächsten Jahrzehnten 70 oder 80 Jahre alt werden, hätten ganz andere, vor allem viel individuellere Bedürfnisse hinsichtlich ihrer Ernährung als noch die Generation davor. "Senioren werden schon aufgrund ihrer wachsenden Zahl zu einer noch wichtigeren Zielgruppe für alle, die mit gastronomischen Leistungen zu tun haben", gibt die Expertin zu bedenken. Daher würden sich Lebensmittelindustrie und Handel, aber auch Spitäler, Alten- und Pflegeheime sowie die Gastronomie auf "die Älteren" einstellen und neue, spezifische Angebote für diese Klientel entwickeln müssen. Das reicht von den Portionsgrößen und der sensorischen Qualität bis zur verstärkten Berücksichtigung individueller Unverträglichkeiten, Allergien und medizinisch indizierter Kostformen.
APA OTS Artikel
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