Molekulare Küche – Wenn Chemie und Kulinarik aufeinandertreffen
Chemie und die Küche sind keine neue Verbindung. Im Gegenteil: Jedes Essen enthält chemische Verbindungen und somit besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Chemie und Kulinarik. Die molekulare Küche stellt diesen jedoch in den Vordergrund, gepaart mit einer ordentlichen Portion Experimentierfreude. Daher ist es interessant, sich einmal intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen.
Kochen zwischen Ausprobieren und Wissenschaft
Das Kochen ist beinahe so alt wie die Menschheit selbst, je nachdem, ab wann von tatsächlichem Kochen die Rede sein kann. Fakt ist aber, dass es früher keine andere Wahl gab, als einfach auszuprobieren, wie sich verschiedene Speisen zubereiten lassen und wie sich dadurch Eigenschaften von Konsistenz über Aroma bis Haltbarkeit verändern. Eine wissenschaftliche Herangehensweise an solche Fragen hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt.
Das bedeutet aber nicht, dass heutzutage jeder Hobby- oder professionelle Koch automatisch Grundwissen in Physik sowie Chemie mitbringen muss. Das Ausprobieren spielt dabei für viele Menschen nach wie vor eine große Rolle. Schaden kann es trotzdem nicht, zumindest grundlegende Reaktionen zu verstehen und dadurch eventuell bewusst herbeizuführen, um die kreierten Speisen weiter zu verfeinern, sei es geschmacklich oder qualitativ. Es muss also nicht jeder direkt zur molekularen Küche wechseln, doch ein Blick auf die Wissenschaft hinter dem Kochen lohnt sich.
Grundlagen der Chemie und Physik in der Küche
Essen beziehungsweise das Kochen ist also untrennbar mit der Chemie sowie auch mit der Physik verbunden. Zwei wissenschaftliche Disziplinen, die sich mit den Wechselwirkungen beschäftigen, die zwischen den Zutaten untereinander, mit verschiedenen Temperaturen und weiteren Komponenten entstehen. Es ist also durchaus spannend zu wissen, weshalb ein Soufflé im Backofen seine „fluffige“ Konsistenz annimmt oder warum es zur sogenannten Maillard Reaktion kommt, die für Röstaromen in all ihren Variationen unverzichtbar ist. Die Wissenschaft hat solchen Mechanismen also einen Namen und eine Erklärung gegeben, die zwar beim Kochen bereits seit Jahrhunderten, teilweise seit Jahrtausenden eingesetzt werden, für die es bislang aber nur Beobachtungen anstelle von Erklärungen gab.
Ziel chemischer und physikalischer Untersuchungen in der Küche ist aber nicht nur zu verstehen, was dort passiert, sondern auch neue Techniken zu entwickeln oder mehr Kreativität anzuregen. Deshalb interessieren sich auch immer mehr Köche für die Hintergründe dessen, was sie eigentlich am Herd machen. Die Physik beschäftigt sich dabei vor allem mit Festkörperdispersionen, Emulsionen sowie Schäumen. Die Chemie befasst sich hingegen mit den Molekülen und deren Aufbau innerhalb verschiedener Lebensmittel. Zudem kommen heutzutage moderne Technologien zum Einsatz, um die einzelnen Bestandteile der Speisen zu isolieren. Diese wiederum prägen die sogenannte molekulare Küche.
Mittlerweile hat sich der wissenschaftliche Ansatz beim Kochen in zwei Gruppen unterteilt: die physikalische und die molekulare Küche. Letztere ist zu einem regelrechten Trend herangewachsen und hat sozusagen die Chemie, Physik und Biochemie hinter dem Kochen in den Vordergrund gehoben. Sie basiert auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und nutzt diese, um den Speisen sowie Getränken neue Formen zu geben, sei es hinsichtlich Konsistenz, Farbe, Form oder auch Geschmack. Obwohl dieser Trend nicht bei jedem auf Begeisterung stößt, ermöglicht er, das Essen aus einer ganz neuen Perspektive zu erleben – irgendwo zwischen Wissenschaft und Kreativität.
Molekulares Kochen: das „perfekte“ Essen?
Um molekular zu kochen, ist ein Grundverständnis für Chemie und Physik also unverzichtbar. Die Köche verstehen sich nicht selten selbst ein Stück weit als Wissenschaftler, aber auch als Künstler, schließlich soll die molekulare Küche das Essen in eine ganz neue Form bringen. Perfektion ist dabei das Ziel, sowohl optisch als auch geschmacklich. Gleichzeitig werden die chemischen Reaktionen so inszeniert, dass sie für die Gäste des Restaurants auch noch einen „Wow-Effekt“ bringen.
Unbestritten ist, dass das molekulare Kochen in erster Linie etwas für Personen ist, die gerne experimentieren und Neues probieren. Das Essen sieht nämlich nicht nur anders aus, es schmeckt oftmals auch anders oder hat eine ungewohnte Konsistenz. Dabei werden in den meisten Fällen weniger verschiedene Zutaten gemischt, als dies beim klassischen Kochen der Fall ist. Stattdessen stehen einzelne Zutaten im Vordergrund, die auf kreative Weise inszeniert werden, eben auf wissenschaftlicher Basis.
Mit „Omas Rezepten“ oder Natürlichkeit hat das molekulare Kochen also nicht mehr viel zu tun und genau deshalb scheiden sich die Geister bei diesem Thema. Für manche Menschen entsteht aus diesem innovativen Ansatz das „perfekte“ Essen, sozusagen hochmodern und im Zeichen der Zeit. Für andere geht dabei das Geschmackserlebnis verloren und es handelt sich um eine überflüssige Attraktion, die ein vorübergehender Trend sein wird. Wer Recht behält, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen. Sicherlich hat die molekulare Küche aber ihre Daseinsberechtigung, zumindest aus wissenschaftlicher Sicht.
Ein Rückblick in die Geschichte der molekularen Küche
Interessant zu wissen ist zudem, dass die molekulare Küche nicht das eigentliche Ziel war, weshalb die Wissenschaft damit begonnen hat, das Kochen genauer zu untersuchen. Einerseits war da natürlich die Neugier der Physiker sowie Chemiker, was im Zubereitungsprozess mit den Lebensmitteln passiert. Andererseits investierten immer mehr Unternehmen mit rein praktischen Zwecken in die Forschung. Ziel war nämlich, die Haltbarkeit von Lebensmitteln zu verlängern oder sie geschmacklich sowie qualitativ zu optimieren.
Im Jahr 1990 veröffentlichte Hervé This schließlich sein Essay „Der Physiker in der Küche“, was als Startschuss der molekularen Küche gilt, wie sie heutzutage in speziellen Restaurants angeboten wird. Seither wurden immer mehr Rezepte kreiert, um Speisen mit chemischen oder physikalischen Methoden zu verändern beziehungsweise zu verbessern. Dabei kommen neben klassischen Methoden wie dem Braten auch ungewöhnliche Techniken zum Einsatz, zum Beispiel das Garen im Vakuum oder das Einfrieren in flüssigem Stickstoff.
Kann jeder molekular kochen, auch zuhause?
Das wirft die Frage auf, wie alltagstauglich die molekulare Küche eigentlich ist. Schließlich stehen solche Methoden in den eigenen vier Wänden nicht zur Verfügung. Der finanzielle Aufwand würde sich kaum lohnen und nicht jede der Techniken in der modernen Molekularküche sind ungefährlich. Das gilt beispielsweise für flüssigen Stickstoff, der beinahe -200 Grad Celsius misst und somit bei unsachgemäßer Handhabung zu schweren Erfrierungen führen kann. Genau deshalb sollte tatsächlich jeder Koch, der molekular kochen möchte, ein Stück weit auch Wissenschaftler sein.
Es gibt dennoch Möglichkeiten, um diesen innovativen Ansatz des Kochens nach Hause zu bringen und dadurch beispielsweise bei einem stilvollen Essen unter Freunden ein ungewöhnliches Highlight zu präsentieren. Melonenkaviar, ein „Spooncocktail“ Aperol mit Orange oder Salz-Luft sind dafür nur einige Ideen, die sich problemlos auch ohne professionelle Ausrüstung oder wissenschaftliche Expertise umsetzen lassen und die Gäste sicherlich faszinieren. Als Küche für jeden Tag ist die molekulare Küche aber nicht geeignet. Trotzdem hält sich der Trend hartnäckig und das schon seit den 90ern.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Chemie und Kulinarik nicht erst in der molekularen Küche aufeinandergetroffen sind. Sie sind von Natur aus eine untrennbare Einheit. Essen ist Chemie. Was im Magen mit dem Essen passiert, ist Chemie. Ja sogar dessen Ausscheidung ist schlussendlich nichts anderes als Chemie. Die Wissenschaft hinter dem Kochen zu verstehen, ist deshalb nur die logische Konsequenz aus der modernen
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